Lizensierte Ausbildung

Brainspotting nach SEK-Einsatz


Fall 3 – Brainspotting nach SEK-Einsatz – September 2022

In der Fortbildungs-Veranstaltung wurden nicht nur die Grundprinzipien von Brainspotting dargestellt, sondern auch gefragt, ob es unter den TeilnehmerInnen jemand gäbe, der eine Belastungserfahrung erlebt habe, die sie oder ihn bis heute beschäftigen würde. Es meldete sich sehr schnell eine 48jährige Lehrerin und berichtete von Schlafstörungen, nachdem sie zuhause eines Morgens gegen 5 Uhr 30 durch einen lauten Knall geweckt worden war. Sie habe die Schlafzimmertüre geöffnet und sei noch schlaftrunken und keineswegs wach einem „voll aufmunitionierten Polizeibeamten“ gegenübergestanden, während Kollegen ihren Sohn ziemlich grob aus dem Bett gezerrt hätten, um ihn festzunehmen. Erst allmählich habe sie begriffen, daß es sich hier um einen SEK-Einsatz gehandelt habe – und erst sehr viel später habe sich herausgestellt, daß der Sohn zu Unrecht verdächtigt worden sei. Dieser Vorfall beschäftige sie noch immer und sorge immer wieder für Schlafunterbrechungen, vor allem in den Morgenstunden, außerdem sei sie seitdem deutlich geräuschempfindlicher.

Bereits während der detaillierten Schilderung des Vorfalls zeigte sich bei der Klientin eine spontane Blickorientierung nach halb links (von der Klientin aus gesehen) – also ein sog. Gazespot. Da es sich um eine Demonstrationssitzung handelte, wurde dieser zwar wahrgenommen, aber weder vorzeitig benannt noch direkt genutzt, sondern das Gesichtsfeld mit dem Pointer gescannt, also das sog. Innere Fenster verwandt. Hierbei wird das Gesichtsfeld gescannt und der oder die KlientIn auch gefragt, wo sie oder er die stärkste Resonanz oder den direktesten Zugang zu dieser alten Erfahrung im Körper spüren würde. Und tatsächlich bestätigte die Klientin nicht nur den bereits vorher sichtbar gewordenen Gazespot, sondern verriet auch über ihre Augenreaktionen und ihre subjektiven Angaben, daß dies der beste und direkteste Zugang zur alten Stresserfahrung war. Dabei wurde über die Augenreaktionen in geradezu klassischer Weise sichtbar, wie sich an diesem relevanten Blickorientierungspunkt nicht nur die Augenbrauen kurzzeitig leicht hoben, sondern auch die Pupillen erweiterten.

Durchaus bekannt ist, daß es sich hier um den dritten Hirnerven, den Nervus Oculomotorius handelt, der aus dem Hirnstamm hochzieht. Weniger bekannt ist, daß es hier auch noch den Muskulus levator palpebrae superioris gibt, den oberen Lidheber, einen quergestreiften Muskel, der also willentlich den Lidspalt vergrößern kann. Noch weniger bekannt ist, daß es dort auch noch den Muskulus tarsalis gibt – glatte Muskelfasern, die nicht willkürlich beeinflußbar sind, aber sowohl den Lidspalt als auch die Pupille vergrößern können. Dies machen diese aber nur dann, wenn der Sympathikus aktiv wird, wenn also das Stressniveau plötzlich ansteigt. Die Wiederkonfrontation mit dieser damals so hochstressigen Situation, frühmorgens noch schlaftrunken plötzlich einem SEK-Beamten in voller Montur nicht nur in der eigenen Wohnung, sondern direkt vor der eigenen Schlafzimmertüre gegenüber zu stehen und miterleben zu müssen, wie der eigenen Sohn wie ein Schwerverbrecher abgeführt wird, veranlaßte mit anderen Worten das Stressverarbeitungssystem den für Kampf und Flucht zuständigen Sympathikus erneut hochzufahren und damit den Muskulus tarsalis zu aktivieren, denn diese Belastungserfahrung war offensichtlich in keiner Weise verarbeitet oder integriert. Und dies ließ sich nachträglich bei der Klientin in ihrem Gesichtsfeld nochmals ablesen, weshalb ich genau an dem von ihr nonverbal signalisierten und dann auch verbal beschriebenen Blickorientierungspunkt mit meinem Pointer stoppte. Auch die etwas näher sitzenden beobachtenden TeilnehmerInnen der Fortbildungsrunde konnten dieses Phänomen wahrnehmen und darüber staunen. Die Klientin berichtete, daß sie am Abend ziemlich erschöpft gewesen sei, aber gut geschlafen habe und sich am Folgetag erleichtert gefühlt hätte.